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Ehegattennotvertretung

Anders als vielfach angenommen können sich Ehegatten nicht ohne Weiteres gegenseitig umfassend vertreten, denn grundsätzlich ist jeder für die Wahrnehmung seiner eigenen rechtlichen Angelegenheiten selbst verantwortlich. Ohne eine besondere gesetzliche Regelung oder Bevollmächtigung kann niemand für eine andere Person rechtsverbindliche Erklärungen abgeben. Die Eheschließung führt grundsätzlich nicht zu einer solchen Vertretungsbefugnis.


Von dem allgemeinen Grundsatz, dass Ehegatten sich nicht gegenseitig vertreten können, gibt es jedoch zwei Ausnahmen:

  • Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs
  • NEU seit 01.01.2023: Vertretung in Angelegenheiten der Gesundheitssorge (Ehegattennotvertretung)

Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs

Eine Ausnahme vom Grundsatz, dass Eheleute sich nicht ohne Weiteres gegenseitig vertreten können, bilden die „Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie“ (vgl § 1357 BGB). Dies sind alle Geschäfte, die erforderlich sind, um den Haushalt zu führen und die persönlichen Bedürfnisse der Eheleute und ihrer unterhaltsberechtigten Kinder zu befriedigen, wie z. B. der Kauf von Lebensmitteln, Haushaltsgeräten, Bekleidung, Kosmetika, Spielzeug für die Kinder.


Durch derartige Geschäfte werden beide Eheleute berechtigt und verpflichtet, unabhängig davon, wer das Geschäft abgeschlossen hat. Jeder von ihnen kann also beispielsweise die Lieferung einer gekauften Sache fordern und ist verpflichtet, den Kaufpreis zu zahlen – auch wenn der Kaufvertrag von dem jeweils anderen Ehegatten abgeschlossen wurde.

Ehegattennotvertretung

Die Ehegattennotvertretung greift, wenn ein Ehegatte aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit, typischerweise nach einem plötzlich eintretenden Ereignis wie einem Unfall oder Schlaganfall, seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge rechtlich nicht besorgen kann. Die Krankheit muss eine Einwilligungsunfähigkeit bewirken und eine ärztliche Akutversorgung notwendig machen.


Der vertretende Ehegatte/Lebenspartner darf nach § 1358 BGB für den erkrankten Ehegatten/Lebenspartner Angelegenheiten der Gesundheitssorge nur wahrnehmen, wenn dem nicht ausdrücklich widersprochen oder ausreichende Vorsorge (z. B. mit einer Vorsorgevollmacht) getroffen wurde. Ausgeschlossen ist die Vertretung, wenn die Ehegatten voneinander getrennt leben. Ein Getrenntleben im rechtlichen Sinne liegt nicht vor, wenn z. B. einer der Ehegatten in einem Pflegeheim lebt oder aus beruflichen Gründen vorwiegend in einer Zweitwohnung wohnt.


Die Vertretung ist auch ausgeschlossen, wenn für den erkrankten Ehegatten ein Betreuer in Angelegenheiten der Gesundheitssorge gerichtlich bestellt ist.


Das Ehegattennotvertretungsrecht ist auf maximal 6 Monate befristet.


Auf eine freiheitsentziehende Unterbringung erstreckt sich die Vertretungsmacht nicht.


Nachfolgend werden die wichtigsten Punkte zur Ehegattennotvertretung erläutert:

Voraussetzungen des Ehegattennotvertretungsrechts

Erforderlich ist zunächst, dass ein Ehegatte aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit, zB nach einem plötzlich eintretenden Ereignis wie einem Unfall oder Schlaganfall, seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge rechtlich nicht besorgen kann. Das Vertretungsrecht greift aber auch bei anderen Erkrankungen, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.


Zusätzlich ist für die Vertretung erforderlich, dass eine Entscheidung im gesundheitlichen Bereich ansteht (z. B. über eine medizinische Behandlung) und der Ehegatte/die Ehegattin bereit und in der Lage ist, die anstehende Entscheidung zu treffen (z. B. über die Durchführung oder das Unterbleiben der Behandlung nach entsprechender ärztlicher Aufklärung). Die Krankheit muss eine Einwilligungsunfähigkeit bewirken und eine ärztliche Akutversorgung notwendig machen.


Ausgeschlossen ist die Vertretung, wenn die Ehegatten voneinander getrennt leben. Getrennt leben sie im rechtlichen Sinne dann, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Ein Getrenntleben liegt daher nicht ohne weiteres vor, wenn z. B. einer der Ehegatten in einem Pflegeheim lebt oder aus beruflichen Gründen vorwiegend in einer Zweitwohnung wohnt.


Die Vertretung ist außerdem ausgeschlossen, wenn der erkrankte Ehegatte/die erkrankte Ehegattin

  • eine Vertretung durch den anderen Ehegatten/die andere Ehegattin in Angelegenheiten der Gesundheitssorge ablehnt (z. B. durch einen Widerspruch gegen das Ehegattennotvertretungsrecht, der in das Zentrale Vorsorgeregister eingetragen werden kann – www.vorsorgeregister.de –, oder eine schlichte schriftliche Fixierung des Widerspruchs oder eine mündliche Erklärung).
  • jemanden (das heißt den Ehegatten oder eine andere Person) mit der Vertretung in Angelegenheiten der Gesundheitssorge bevollmächtigt hat (z. B. durch eine Vorsorgevollmacht). Eine Vorsorgevollmacht kann ebenfalls in dem Zentralen Vorsorgeregister registriert werden. Das Register wird von der Bundesnotarkammer geführt und kann von Betreuungsgerichten und Ärzten eingesehen werden.


Die Vertretung ist auch ausgeschlossen, wenn für den erkrankten Ehegatten/die erkrankte Ehegattin ein Betreuer/eine Betreuerin in Angelegenheiten der Gesundheitssorge gerichtlich bestellt ist.


Für die Ausübung des Vertretungsrechts nach der Erstbehandlung erhält der vertretende Ehegatte vom Arzt oder von der Ärztin ein Dokument zur Vorlage bei Ärzten, Behörden und dem Gericht.

Umfang des Vertretungsrechts in Angelegenheiten der Gesundheitssorge

Der vertretende Ehegatte darf in unaufschiebbare Untersuchungen des Gesundheitszustandes, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligen oder sie untersagen. Von der Vertretungsbefugnis erfasst sind nur Einwilligungen in Behandlungen oder Eingriffe, die aus medizinischer Sicht notwendig sind. Regelmäßig betrifft dies Fälle von akut eingetretenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen infolge eines Unfalls oder einer Erkrankung, die eine ärztliche Versorgung notwendig machen. Der vertretende Ehegatte/die vertretende Ehegattin darf nach § 1358 I BGB für den erkrankten Ehegatten/die erkrankte Ehegattin dann folgende Angelegenheiten der Gesundheitssorge wahrnehmen.


Er/Sie darf

  • in Untersuchungen des Gesundheitszustandes, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligen oder sie untersagen. Von der Vertretungsbefugnis erfasst sind nur Einwilligungen in Behandlungen oder Eingriffe, die aus medizinischer Sicht notwendig sind, insbesondere Fälle von akut eingetretenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen infolge eines Unfalls oder einer Erkrankung, die eine ärztliche Versorgung notwendig machen (z. B. eine Operation oder lebenserhaltende Maßnahmen während eines künstlichen Komas),
  • ärztliche Aufklärungen über medizinische Maßnahmen entgegennehmen,
  • die Gesundheitsangelegenheiten betreffenden Krankenunterlagen einsehen und ihre Weitergabe an Dritte bewilligen. Zur verantwortungsvollen Wahrnehmung des Vertretungsrechts sind die behandelnden Ärzte gegenüber dem Ehegatten/der Ehegattin von ihrer Schweigepflicht entbunden,
  • Behandlungsverträge, Krankenhausverträge oder Verträge über eilige Maßnahmen der Rehabilitation und der Pflege abschließen; der Ehegatte/die Ehegattin kann beispielsweise die sich an einen Krankenhausaufenthalt unmittelbar anschließende unaufschiebbare Rehabilitationsmaßnahme auch dann vertraglich organisieren, wenn die Kosten nicht durch die gesetzliche Krankenversicherung abgedeckt sind. Hierzu gehört der Abschluss eines Heimvertrages zur Kurzzeitpflege, nicht jedoch ein dauerhafter Heimvertrag.
  • die Rechte aus diesen Verträgen durchsetzen,
  • Ansprüche, die dem erkrankten Ehegatten/der erkrankten Ehegattin wegen der Erkrankung gegenüber Dritten (zB Kranken- oder Pflegeversicherungen) zustehen, geltend machen und an die Leistungserbringer (zB das Krankenhaus) abtreten oder Zahlung an diese verlangen,
  • über freiheitsentziehende Maßnahmen entscheiden (z. B. über Bettgitter während eines postoperativen Delirs, die den erkrankten Ehegatten/die erkrankte Ehegattin am Aufstehen bzw. Verlassen des Bettes hindern sollen), sofern die Dauer der Maßnahme im Einzelfall sechs Wochen nicht überschreitet. Der vertretende Ehegatte/die vertretende Ehegattin benötigt für diese Maßnahmen eine Genehmigung des Betreuungsgerichts (siehe Nr 4).


Auf eine freiheitsentziehende Unterbringung bezieht sich die Vertretungsmacht ausdrücklich nicht.

Handlungsmaßstab für den Ehegatten/die Ehegattin

Der Ehegatte/die Ehegattin hat das Vertretungsrecht nach den Wünschen oder dem mutmaßlichen Willen des erkrankten Ehegatten/der erkrankten Ehegattin auszuüben. Es gilt, das Selbstbestimmungsrecht des erkrankten Ehegatten/der erkrankten Ehegattin zu wahren und seinen/ihren Willen umzusetzen. Sollte der aktuelle Wille oder die Behandlungswünsche nicht bekannt sein, hat sich der vertretende Ehegatte/die vertretende Ehegattin zu fragen, wie der andere entschieden hätte, wenn er/sie noch selbst bestimmen könnte, und diesen mutmaßlichen Willen dann umzusetzen. Dabei sind frühere Äußerungen des erkrankten Ehegatten/der erkrankten Ehegattin, seine/ihre ethischen oder religiösen Überzeugungen oder persönlichen Wertvorstellungen zu berücksichtigen.


Der vertretende Ehegatte/die vertretende Ehegattin hat außerdem dem in einer Patientenverfügung niedergelegten Willen des erkrankten Ehegatten/der erkrankten Ehegattin Ausdruck und Geltung zu verschaffen, wenn die Festlegungen in der Patientenverfügung auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen (vgl. § 1827 BGB). Liegt keine Patientenverfügung vor oder treffen die Festlegungen darin nicht auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zu, hat der vertretende Ehegatte/die vertretene Ehegattin die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des vertretenen Ehegatten/der vertretenen Ehegattin festzustellen und auf dieser Grundlage zu entscheiden.

Erfordernis einer Genehmigung des Betreuungsgerichts

Der Ehegatten/die Ehegattin bedarf der Genehmigung des Betreuungsgerichts für folgende Erklärungen:

  • Einwilligung in Untersuchungen des Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe, wenn die begründete Gefahr besteht, dass der erkrankte Ehegatte/die erkrankte Ehegattin aufgrund dieser Maßnahmen stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet (§ 1829 I BGB) und wenn zwischen dem vertretenden Ehegatten/der vertretenden Ehegattin und dem behandelnden Arzt/der behandelnden Ärztin kein Einvernehmen darüber besteht, dass die Erteilung der Einwilligung dem festgestellten Willen des erkrankten Ehegatten/der erkrankten Ehegattin entspricht (§ 1829 IV BGB). Ohne die Genehmigung darf die jeweilige Maßnahme nur durchgeführt werden, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist.
     
  • Nichteinwilligung oder Widerruf der Einwilligung in Untersuchungen des Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe, wenn diese Maßnahmen medizinisch angezeigt sind und die begründete Gefahr besteht, dass der erkrankte Ehegatte/die erkrankte Ehegattin aufgrund des Unterbleibens oder des Abbruchs der jeweiligen Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet (§ 1829 II BGB) und wenn zwischen dem vertretenden Ehegatten/der vertretenden Ehegattin und dem behandelnden Arzt/der behandelnden Ärztin kein Einvernehmen darüber besteht, dass die Nichterteilung oder der Widerruf der Einwilligung in die jeweilige Maßnahme dem festgestellten Willen des erkrankten Ehegatten/der erkrankten Ehegattin entspricht (§ 1829 IV BGB).


Einwilligung in freiheitsentziehende Maßnahmen, d. h., wenn dem erkrankten Ehegatten/der erkrankten Ehegattin, der/die sich in einem Krankenhaus, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung aufhält, durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden soll (§ 1831 IV BGB, z. B. Bettgitter während eines postoperativen Delirs, die den Patienten oder die Patientin zu seinem bzw. ihrem Schutz am Aufstehen hindern soll), sofern die Dauer der Maßnahme im Einzelfall sechs Wochen nicht überschreitet.

Ende der Vertretungsberechtigung

Das Ehegattennotvertretungsrecht ist immer befristet.


Sobald der erkrankte Ehegatte/die erkrankte Ehegattin wieder einwilligungs- und handlungsfähig ist, kann er/sie seine/ihre Angelegenheiten der Gesundheitssorge wieder selbst rechtlich besorgen und wahrnehmen (z. B. indem der erkrankte Ehegatte/die erkrankte Ehegattin eine Vollmacht ausstellt). Damit endet das gesetzliche Vertretungsrecht.


Sobald für den erkrankten Ehegatten/die erkrankte Ehegattin ein rechtlicher Betreuer/eine rechtliche Betreuerin für die Angelegenheiten der Gesundheitssorge gerichtlich bestellt wird, endet das Vertretungsrecht ebenfalls. Auch wenn ein Betreuer/eine Betreuerin nur für einzelne der Angelegenheiten bestellt wird, für die das Gesetz ein Vertretungsrecht von Ehegatten vorsieht (z. B. nur für die Einwilligung in freiheitsentziehende Maßnahmen oder für die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber Dritten), ist das Vertretungsrecht dann in diesem Umfang ausgeschlossen. Die Einleitung eines Betreuungsverfahrens kann der vertretende Ehegatte/die vertretende Ehegattin selbst (z. B. gegenüber dem Betreuungsgericht) anregen (z. B. wenn er/sie mit der Ausübung des Vertretungsrechts überfordert ist). Auch andere (z. B. sonstige Angehörige, Arzt/Ärztin, Sozialdienste) können dies anregen.


Das gesetzliche Vertretungsrecht endet in jedem Fall spätestens sechs Monate nach dem von dem Arzt/der Ärztin festgestellten und bestätigten Eintritt der Bewusstlosigkeit oder Erkrankung.

Hinweis:
Die vorstehenden Hinweise gelten nach § 21 Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) auch für Lebenspartner, aber nicht für Lebensgefährten.

Grundsätzlich sollte überlegt werden, ob eine individuelle Vorsorgevollmacht für den Fall der Handlungsunfähigkeit nicht die bessere Alternative ist. Es bietet sich an, frühzeitig selbst vorzusorgen und sich z. B. als Ehegatten/Lebenspartner nach dem LPartG gegenseitig durch eine Vorsorgevollmacht entsprechend abzusichern. Auch andere Vertrauenspersonen können bevollmächtigt werden. Sie können sich hierzu von der örtlichen Betreuungsbehörde oder einem anerkannten Betreuungsverein beraten lassen.


Nähere Informationen gibt es hier.


 

Ab Mittwoch, 18. Oktober 2023 ist die Betreuungsstelle in der Bahnhofstraße 21 a in Bad Reichenhall erreichbar.

Kontakt

Büroräume

Bahnhofstraße 21 a
83435 Bad Reichenhall

Frau Grabner

Leiterin der Betreuungsstelle, Öffentlichkeitsarbeit, Beglaubigung Vorsorgevollmachten, Vertretung in Unterbringungsangelegenheiten

Frau Dr. Ernst

Außendienst für Ainring, Freilassing, Laufen, Saaldorf-Surheim, Teisendorf

Frau Ilsanker

Außendienst für Bad Reichenhall, Bayerisch Gmain, Piding

Frau Jackstien

Außendienst für Berchtesgaden, Bischofswiesen, Marktschellenberg, Ramsau b. Berchtesgaden, Schönau a. Königssee, Anger und Schneizlreuth

Herr Rothbucher

Sachbearbeiter für Bayerisch Gmain, Berchtesgaden, Bischofswiesen, Marktschellenberg, Ramsau b. Berchtesgaden, Schneizlreuth und Schönau a. Königssee & Beglaubigung von Vorsorgevollmachten sowie Unterbringungsangelegenheiten

Herr Wenig

Sachbearbeiter für Ainring, Freilassing, Laufen, Saaldorf-Surheim sowie Unterbringungsangelegenheiten

Herr Lenz

Sachbearbeiter für Anger, Bad Reichenhall, Piding, Teisendorf und Beglaubigung Vorsorgevollmachten sowie Unterbringungsangelegenheiten